Chance für die Energiewende: Ländlicher Raum kann Unabhängigkeit schaffen und selbst profitieren
Klimagerechtigkeit ist eine Frage der sozialen Verantwortung. Der Klimawandel verursacht exorbitante Kosten. Jeder Euro, den wir heute nicht investieren, sorgt nur dafür, dass wir in Zukunft ein Vielfaches für die Klimawandelfolgenbekämpfung ausgeben müssen. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die Kosten des Klimawandels laut einer Berechnung des DIW für Deutschland allein bis zum Jahr 2050 rund 800 Mrd. Euro betragen.
Energieversorgung
Wärme und Strom sind Grundpfeiler des modernen Lebens. Noch immer werden große Teile aus fossilen Energieträgern, also Kohle, Öl und Gas, gewonnen. Auch in Thüringen werden 80 Prozent der Wohngebäude fossil beheizt. Da die Verbrennung dieser Energieträger den Treibhauseffekt verstärkt und damit Temperaturen und Extremwetterereignisse weltweit steigen, setzt sich die Fraktion DIE LINKE schon seit langem für eine 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung ein: regional, dezentral und regenerativ. Das heißt, dass die in Wind, Sonne, nachwachsenden Roh- und Reststoffen (z. B. Gülle) und den Tiefen der Erde hier in Thüringen vorhandene Energie genutzt wird. Dadurch werden auch Abhängigkeiten von anderen Ländern, wie z.B. Russland reduziert, wodurch in Konfliktsituationen bessere Verhandlungspositionen entstehen. Der Krieg in der Ukraine führt die Fallstricke solcher Abhängigkeiten schmerzhaft vor Augen: Deutschland ist von russischen Erdgaslieferungen abhängig.
Der ländliche Raum hat das Potential, uns von solchen Abhängigkeiten zu befreien und klimaneutral zu wirtschaften. Er bietet Platz für Solar-Panele auf großen Dachflächen (z. B. auf Ställen) und entlang von Autobahnen sowie für Windräder. Unter Gärten und Sportplätzen, aber auch aus alten Bergbaugruben kann Wärme abgezweigt und zum Heizen benutzt werden. Grundwasserleiter können Wärme im Sommer aufnehmen und im Winter wieder abgeben. Überreste der landwirtschaftlichen Produktion können in Biogasanlagen zu Methan werden, welches dann verbrannt und zur Einspeisung in kleine, lokale Wärmenetze genutzt werden kann. Das senkt die Kosten und schafft Unabhängigkeit von Weltmarktpreisen.
Wichtig ist, dass die Kommunen vor Ort profitieren. Schon heute können Sie mit Wind- und Solarparkbetreibern vereinbaren, dass sie an Gewinnen der Energiegewinnung beteiligt werden. Das geht z.B. über die Verpachtung von Wegen an den Vertreiber oder über die Nutzung des § 6 EEG 2021, der eine Beteiligung angrenzender Kommunen von 0,2 Cent die Kilowattstunde ermöglicht. Das entspricht in etwa 15.000 Euro je Windrad und Jahr. Zurzeit arbeiten wir daran, eine finanzielle Beteiligung der angrenzenden Kommunen verpflichtend zu gestalten. Darüber hinaus können Bürgerenergiegenossenschaften die direkte Beteiligung an der Energiewende ermöglichen. Noch in diesem Jahr soll der Bürgerenergiefonds kommen, für den wir uns in den Haushaltsverhandlungen eingesetzt haben und der Risikokapital für die Startphase bereitstellen wird. In Thüringen kann die ThEGA (Thüringer Energie- und Greentech-Agentur) jederzeit kostenfrei konsultiert werden, die u.a. mit ihren Servicestellen Windenergie und Solarenergie z.B. bei der Nutzung kommunaler, finanzieller Beteiligungsmöglichkeiten tatkräftig zur Seite steht.
Abwasserentsorgung
Im Bundesland Thüringen sind aktuell 83 Prozent der Bevölkerung an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen. Bis 2030 sollen über 90 Prozent angeschlossen sein. Ausgehend von 43 Prozent 1990 ist das ein echter Fortschritt. Gerade im ländlichen Raum sind Abwasserlösungen aber zum Teil sehr schwierig zu realisieren und mit enormen Anschlusskosten bis zu 15.000 Euro pro Kopf verbunden. Diese Kosten müssen unbedingt solidarisch getragen werden. Deswegen setzen wir uns für eine Erhöhung der Fördersätze für die Abwasserentsorgung im ländlichen Raum ein.
Desweiteren ist ein Anschluss an zentrale Kläranlagen nicht immer die beste Option. Gerade in sehr kleinen Ortschaften sind dezentrale Lösungen oft deutlich preiswerter. Standard-Kleinkläranlagen mit vier Einwohnerwerten werden mit 2.500 Euro gefördert, auch Gruppenlösungen und die Leitung zu ihr sind förderfähig. Gleichwertige Lebensverhältnisse im ländlichen Raum hängen von einer ebenso preiswerten wie praktischen Abwasserentsorgung ab. In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass der Anschlussgrad weiter erhöht wird und in sehr kleinen Orten gezielt Gruppenlösungen angestrebt werden, die hinsichtlich ihrer stabileren Biologie, auch in Anbetracht immer kleiner werdender Haushalte sowie dem geringeren individuellen Aufwand, zu bevorzugen sind.
Kommunaler Klimaschutz
In Thüringen gibt es mittlerweile 20 Klimaschutzmanager, die sich auf Kreisebene für den Klimaschutz einsetzen. Klimaschutzmanager sind über Landes- und Bundesmittel zu 100 Prozent förderfähig. Sie können Synergie- und Einsparpotenziale aufzeigen und somit über den Klimaschutz hinaus den Kommunen bares Geld bringen. Gleichzeitig wird das Thema Anpassung an den Klimawandel immer relevanter. Einfache Mittel wie Begrünung von bspw. zentralen Plätzen und Fassaden können große Wirkung entfalten und die Menschen vor der Hitze schützen. Mitfahrbänke, Dorfautos und Bürgerbusse sorgen für mehr Klimaschutz und Mobilität im ländlichen Raum. Das ist wichtig, damit auch in Zukunft der Besuch ärztlicher Versorgung und kultureller Veranstaltungen vom Dorf aus möglich ist.